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Storytelling und Markenführung: Ein Interview

10 März 2014
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(einer der schönen Effekte davon, dass ich mich jetzt schon seit einigen Jahren mit Storytelling beschäftigte, ist, dass ich immer öfter von Studenten und Studentinnen angefragt werde, ob ich ihnen für ihre Bachelor- und Masterarbeiten als Expertin für ein Recherche-Interview zur Verfügung stehen würde. Da ich mich selbst noch gut daran erinnere, wie es war, Studentin zu sein und auch das Wort „Expertin“ so schmeichelhaft ist, bemühe ich mich – wann immer ich es zeitlich einrichten kann – diesen Anfragen zu entsprechen. Vor kurzem habe ich in einem solchen Kontext wieder ein Interview zum Thema „Storytelling und Markenführung“, gegeben, dass ich hier gerne mit Euch teile:)

Q: Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach ein gut durchdachtes Storytelling für die Markenführung und warum?

MG: „Sehr wichtig, denn jede Marke ist oder besteht ja aus einer Story. Eine Marke ist die Geschichte einer Firma oder eines Produktes. Das kann die Geschichte der Qualität, Zuverlässigkeit oder anderer direkten Eigenschaften des Produktes, der Dienstleistung, der Firma sein. Eine Marke ist aber auch immer die Geschichte der Atmosphäre, der Werte, der Lebensweise, für die die Marke steht und die der Kunde mit dieser Marke verbindet. Durch das Erzählen von (Marken-)Geschichten werden diese Assoziationsräume geöffnet und Bilder in den Köpfen hinterlassen. Es werden Gefühle geweckt und emotionale Bindungen geschaffen. Diese Geschichten kann man einerseits sehr bewusst konstruieren und erzählen (s. Apple, Coca Cola, Nike etc.), aber die Geschichten über eine Marke entstehen auch von selbst und von außen und außerhalb der Kontrolle der Firmen durch Presseberichte, eigene Kundenerfahrungen und so weiter. Bei der Anwendung von Storytelling auf die Marke wird man sich daher ansehen, welche Geschichten die Marke bisher erzählt hat, welche sie erzählen will und welche über sie erzählt werden. Die Geschichten müssen zur bisherigen Markengeschichte passen, aber sie auch weiterentwickeln.“

Q: Welche Elemente müssen bei einem guten Storytelling bedacht werden?

MG: Das lässt sich sicher nicht abschließend beantworten. Es gibt aber ein paar Elemente, die immer wichtig sind und die ich daher gerne nenne: Geschichten sollten emotional sein, also an tiefere Gefühle rühren (wie etwa: Liebe, Trauer, Familie, Loyalität, Hoffnung, Freiheit etc.), Kontrast beinhalten (Licht und Schatten, Hoffnung und Angst, Freude und Verlust, klein und groß, arm und reich etc.), eine Entwicklung beinhalten und erzählen, evtl. auch sympathische Helden haben und möglichst viele authentische und wahre Elemente beinhalten.

Q: Wo entsteht der „Stoff“ für gute Geschichten? (Wie finde ich eine gute Geschichten z.B. für einen TV-Spot/ eine Kampagne , damit diese/r meine Zielgruppe anspricht?)

MG: Der erste Ort, an dem man nach guten Geschichten suchen sollte, ist die eigene Firma, das eigene Produkt, die eigenen Mitarbeiter, die eigenen Kunden. Wie ein Journalist oder ein Dokumentarfilmer, der das Thema/die Branche für einen Artikel, ein Buch oder einen Film recherchiert, sollte man mit den Menschen sprechen und sich ihre Geschichten, Erlebnisse, Hoffnungen, Träume, Wünsche, ihren Ärger, ihre Freude etc. anhören. Das Auswahlkriterium bei diesen Geschichten sollte zu einem großen Teil das eigene Herz sein. Also: Welche Geschichte bewegt mich selbst? Welche rührt mich, macht mich traurig, macht mich wütend, inspiriert mich, interessiert mich? Die eigene emotionale Reaktion ist ein guter Hinweis darauf, wie andere Menschen auf diese Geschichten reagieren werden. So ist der unglaubliche Social-Media-Erfolg der relativ neuen News- und Video-Seite „upworthy“, www.upworthy.com, sicher auch darauf zurückzuführen, dass sie nach diesem Prinzip ihre Videos auswählen. (mehr zu upworthy’s Methoden in diesem Artikel des Nieman Journalism Lab). Dann, nachdem man sich genau überlegt hat wer die Zielgruppe der Kommunikationsmaßnahme ist, sollte man den Menschen „zuhören“, die man erreichen möchte oder sich überlegen und recherchieren, welche Geschichten sie gerade erleben, welche sie berühren, was ihnen wichtig ist. Aus der Schnittmenge oder Kombination dieser beiden Geschichten oder Geschichtswelten, entstehen dann gute Geschichten für die Kommunikation. Ein Best-Practice-Beispiel dafür ist z.B. der Levi’s Spot „Go Forth“, in dem die Schnittmenge zwischen der Markenidentität der Jeansmarke (Freiheit, Rebellion, Jugend) und den aktuellen Geschichten von jungen Menschen in westlichen Industrieländern (Occupy, Antikapitalismus, Protest, Musikkonzerte, Naturverbindung, Liebe, Kunst, Spiritualität) gesucht und gefunden wurde (Charles Bukowski Gedicht, junger Berliner Art House Regisseur, Bilder vom Ozean und von den 1. Mai Demos in Berlin etc.).

Q: Wie wichtig ist Storytelling für die interne Unternehmenskommunikation?

MG: Ich selbst habe in meiner Beratungstätigkeit Storytelling bisher nur selten in der internen Unternehmenskommunikation verwendet, glaube aber, dass auch hier Storytelling in Form von inspirierenden, authentischen und ehrlichen Geschichten helfen könnte, die Mitarbeiter und Angestellten zu inspirieren. Bei der internen Kommunikation geht es aber häufig noch mehr als um das Erzählen, um das Zuhören, also um „Story Listening“ anstatt von „Storytelling“. Um Storytelling – egal in welcher Form – effektiv in der internen Unternehmenskommunikation anzuwenden, ist das Betriebsklima des Unternehmens entscheidend. In einem von Angst, Kontrolle, starken Hierarchien, Top-Down-Entscheidungen etc. geprägten Unternehmen wird Storytelling nicht funktionieren, da eine solche Atmosphäre dazu führt, dass Mitarbeiter sich nicht trauen, die wirklichen Geschichten ihrer Erlebnisse, Ideen, Gedanken und Erfahrungen in der Firma zu erzählen. Und auch die Führungsebene wird sich in einer solchen Atmosphäre nicht trauen, von ihren Schwächen, Tiefpunkten, Sorgen, wahren Gedanken und Gefühlen zu erzählen. Das ist aber alles der Stoff aus dem starke und wirksame Geschichten gemacht werden. Wo sehen Sie die Erfolgsfaktoren im Storytelling? Zur Beantwortung dieser Frage würde ich auf die Antwort auf die Frage nach den Elementen bei gutem Storytelling verweisen. Zusätzlich noch: Es muss eine gute Geschichte gefunden und erzählt werden und diese Geschichte muss zu der Geschichte der Zuhörerin passen, für sie relevant sein, sie bewegen, ihr Leben berühren.

Kennen Sie die neue Telekomkampagne „The Tutu Project“? Was halten Sie von dieser, im Hinblick auf Storytelling?

Ja, die kenne ich. Ich finde, es ist eine gut ausgewählte, emotionale und kontrastreiche Situation (ein Ehemann möchte seine krebskranke Frau aufheitern) und die Bilder (mittelalter dicklicher Mann springt im rosa Tutu durch die Stadt) sind eindrücklich und berührend. Außer dem Rosa des Tutu, das die Telekom-Farbe widerspiegelt, sehe ich aber nicht so wirklich die Schnittmenge zwischen der Telekom und dem Projekt, dadurch wirkt es etwas aufgesetzt. Die Werbeagentur hat natürlich versucht, die Elemente zu verbinden, in dem die Freundinnen der Frau sich die Bilder auf dem Handy und Computer weiterschicken und so Telekommunikationsmedien nutzen, aber das funktioniert für mich nicht so gut, da die hauptsächliche emotionale Beziehung und Wirkung zwischen der Frau und ihrem Mann besteht und entsteht, und diese Wirkung in der Weiterverbreitung an einen immer größeren Personenkreis sich eher verliert als stärkt. Ich finde es auch schade, dass für die deutsche Kampagne ein US-amerikanisches Projekt genommen wurde. Es wäre schöner gewesen, sie hätten eine ähnlich kreative und schöne Geschichte in Deutschland gefunden, um näher an der Lebenswirklichkeit und den Geschichten der Zielgruppe zu sein. Dennoch funktioniert die Kampagne gut, weil sie mit vielen Elementen guten Storytellings arbeitet, wie tiefe Gefühle, Kontrast (Humor vs. tödliche Krankheit, männlich vs. weiblich, Verzweiflung vs. Hoffnung, Liebe vs. Tod etc.), sympathische Helden.

Kennen Sie die Geschichte der Moleskine-Bücher?( Wenn ja, an was können Sie sich erinnern?) Würden Sie Moleskine-Bücher kaufen? Wenn ja, warum?

Ich glaube, auf den Büchern steht immer, dass Hemingway und Bruce Chatwin und viele andere Künstler und Schriftsteller die Moleskine-Bücher benutzt haben. Ich habe mal gehört, dass das so gar nicht stimmt. Ich habe aber Moleskine-Bücher schon oft gekauft und zwar sowohl bevor als auch nachdem ich das erfahren hatte. Ich würde sagen, dass diese Kaufentscheidung etwa zu 50% aus praktischen Erwägungen (Qualität des Papiers und der Bindung, Größe, Aussehen) und zu 50% auf dem „Künstler-Mythos“ der Marke beruhte. Für mich persönlich funktioniert also das Marken-Storytelling von Moleskine extrem gut. Obwohl ich weiß, dass die erwähnten Künstler gar kein Moleskine-Notizbuch verwendet haben, fühle ich mich immer „künstlerischer“ und als Teil eines „bohème-haften“ Kreises, wenn ich sie verwende. Daran kann man gut erkennen, wie sehr Storytelling auf emotionaler und assoziativer Ebene wirkt und rationale Entscheidungsgründe eher unterläuft!

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