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Hamburger Bürger-Künstler-Konflikt

03 Dezember 2010
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Vor zwei Wochen habe ich mich mit dem neuen Ansprechpartner der Initiative für Kultur- & Kreativwirtschaft der Bundesregierung in Hamburg getroffen, um mit ihm über Kunstförderung in Hamburg zu sprechen. Wir sprachen darüber, dass es keine genügende Förderung für das Schreiben eines ersten Romanes gibt und noch zu wenig Interesse und Förderung von Transmedia Storytelling. Dabei kamen wir auch auf das allgemeine Thema der Kunstfeindlichkeit oder -freundlichkeit der Politik und Wirtschaft in Deutschland und unserem eigenen Selbstverständnis als Künstler-Bürger-Hybrid.

Nach dem Gespräch über die Rolle und Funktion von Kunst und Künstlern in der Gesellschaft und nach der Schwierigkeit der Kommunikation zwischen der Behörden- und Geschäftswelt auf der einen, und Künstlern auf der anderen Seite, habe ich noch einmal darüber nachgedacht, was die etwas tieferen Gründe dafür sein könnten und wie man diese Kluft überbrücken könnte.

Mir war im nachhinein aufgefallen, dass die Stoßrichtung der Aktivitäten z.B. der Handelskammer aber auch der Bundesinitiative hauptsächlich ist, die Künstler stärker zu Unternehmern zu machen. Das ist sicher gut und richtig und natürlich ist es wichtig, Geld zu verdienen.

Aber vielleicht wäre es auch ein wichtiger Beitrag für die Verständigung, die restlichen Teile der Gesellschaft ein wenig künstlerischer zu machen. Ich glaube, dass ein Grund dafür, dass es Künstler (auch emotional und psychologisch) so schwer haben, der ist, dass Künstler sozusagen der abgetrennte, verdrängte Künstlerteil der Gesamtgesellschaft sind (siehe die Analysen des wunderbaren Erich Fromm und die Arbeit von Julia Cameron in ihrem “Der Weg des Künstlers” hierzu). Das ist der Grund, warum sie sich oft schämen oder so große Hemmungen beim Schaffen oder Präsentieren ihrer Kunst haben und auch beim Fordern eines angemessen Gehaltes oder bei der Selbstvermarktung, denn sie richten sich mit ihrer Berufsentscheidung gegen die Hauptströmung der Gesellschaft. Und ich glaube, dass hierin auch einer der Gründe für die relative Kunstfeindlichkeit in unserer postindustrialisierten, sehr rational, wissenschaftlich, bürokratisch und kommerziell ausgerichteten Gesellschaft ist. Es wird jetzt sehr psychologisch, aber ich denke, dass es unterbewusst Wut und Abwehr bei den Menschen weckt, wenn sich Künstler herausnehmen, was sie sich selbst in ihrem Leben aus Vernunftsgründen und Angst versagt haben: ein selbst bestimmtes, freies, kreatives, kindliches Leben. Genau wie die Kritiker am schärfsten sind, die selbst gerne Künstler gewesen wären, so sind die Bürger am strengsten mit Künstlern, die das Künstlerische in sich am meisten verdrängt haben.

Wie könnte man die Fronten also ein bisschen aufweichen? Ich habe mir gedacht: Warum gibt es eigentlich keinen Tag des Künstlers im Jahr (aber einen Tag der Arbeit)? Man könnte diesen Tag (solange er noch kein offizieller Feiertag ist) auch einfach so feiern. Mit einem großen Straßenfest (vielleicht auf dem Schlachthof-Gelände oder auf dem Heiligengeistfeld). Und es wäre ein Tag der Amateur-Künstler. Alle Hobby-Maler könnten ausstellen, Hobby-Bastler ihre Sachen verkaufen, Hobby-Schriftsteller könnten ihre Geschichten selbstgebundenen in kleinen Büchern verkaufen, auf Bühnen könnten Amateur-Bands, Hobby-Streichquartette und Amateur-Theatergruppen auftreten. Um den Menschen zu sagen: Ihr seid alle Künstler! Und weil sie dadurch vielleicht ein wenig ihre unbewusste Wut auf Künstler verlieren, die das dürfen, was sie nicht dürfen: spielen, sich verwirklichen, sich ausdrücken. Vielleicht könnte man dadurch auch bei der normalen Bevölkerung mehr Verständnis für Künstler wecken, wenn sie einen Tag sozusagen in ihren Schuhen verbringen würden (mit der Nervosität vor dem Auftritt, der Freude über eine verkaufte Geschichte etc.). Ich habe immer gedacht, dass es schade ist, dass das aktive Schaffen von Kunst und Musik für die breite Bevölkerung mit der Schulzeit aufhört.

3 Responses

  • RainerJanuar 21, 2013 at 14:36 

    Hallo Maike
    interessanter Gedankengang….. für meine Elterngeneration war Kunst brotlos und ich denke, dass viele Kreative das verinnerlicht haben

    guter Künstler = brotlose Kunst (machen) = arm sein…

    auch das spielt rein..(?)

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  • IsabelDezember 08, 2015 at 14:37 

    Hallo Maike,
    danke für dein Statement, das geht mir auch so. Ich nehme wahr, dass wir mehr Künstler sind als wir denken und das dennoch mit der „anderen“ wirtschaftlichen Welt verbinden können statt weiterhin nur eins machen zu dürfen. Und das lebst du ja gut vor…
    Danke…

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    • MaikeJanuar 08, 2016 at 14:13 

      Hallo Isabel,
      vielen Dank für Deinen Kommentar! Es freut mich, dass es Dir auch so geht.

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